Wer die historische Bedeutung des Klosters Himmerod hervorhebt, darf die andere - der Marienburg nämlich, die bis 2024 geschlossen werden soll - nicht verschweigen! Wir reden hier von einer über 1.400jährigen kirchlichen Tradition auf dem Berg! Dass nicht nur die Bildungsstätte, sondern sogar die Kapelle geschlossen werden soll, ist nicht nur für mich ein Skandal. Ich will das gerne begünden, denn offensichtlich ist selbst der Trierer Bistumsleitung der geschichtliche Hintergrund der Marienburg nicht mehr präsent. Ich fasse sie hier darum zusammen:

Wahrscheinlich schon um 600 findet der erste Bau einer Bergkirche auf dem „Petersberg“ (mons s. Petri) statt. Erstmalig erwähnt wird der dem Apostel Petrus geweihten Bergkirche von Kaimt im Jahre 929 und zwar als Pfarrkirche des gesamten Hamm.

Postkartenansicht um 1850

 

Abt Richard I. zu Springiersbach beginnt 1146 mit der Gründung eines Frauenklosters nach der Regel des hl. Augustinus, die inzwischen baufällig gewordene Peterskirche lässt er abreißen. Am 18. Oktober 1156 nimmt Erzbischof Hillin von Falmagne die feierliche Einweihung der neuen Klosterpfarrkirche von Marienburg auf dem Namen „der reinen und makellosen Jungfrau Maria“ vor. Im 13. Jahrhundert blüht die junge Klostergründung durch reiche Stiftungen auf. Der Titel „Pfarrkirche“ wird unter Erzbischof Theoderich II. von Wied nach Zell in die 1218 erbaute Kirche auf dem Friedhof neben dem runden Turm übertragen

Über die Entscheidung Kurerzbischofs Richard von Greiffenklau zu Vollraths das Kloster 1514 zu schließen, die Weigerung der Klosterfrauen, den Berg zu verlassen, die folgende juristische Auseinandersetzung mit Abt Johann Print von Horchheim, der in der Aufhebung des Klosters Marienburg eine Verletzung der dem Kloster Springiersbach erteilten kaiserlichen und päpstlichen Privilegien erblickt und kräftig Widerstand leistet, ließe sich noch vieles schreiben. Damals sollen in einer persönlichen Aussprache mit dem Erzbischof übrigens die Worte gefallen sein: „Entweder Marienburg, oder nichts!“

Um 1520 befielt der Erzbischof den Umbau des Klostergebäudes. Jetzt offenbart er auch seine wahren Absichten, die mit der Schließung des Frauenklosters einhergingen: auf der Marienburg soll eine Befestigung angelegt werden. Die Ausbaupläne kommen jedoch nie zur vollen Verwirklichung.

1528 stirbt die letzte Äbtissin Ottilia von Kesselstadt und findet ihre Ruhestätte in der Abteikirche zu Springiersbach. Der Ort der Grablege ist nicht mehr bekannt.

1639 lässt der Zeller Amtsverwalter und Amtskellner, Nikolaus Maas, in der Kirche einen Steinaltar errichten. Die Beschriftung lautet: „Der ehrenwerte Nikolaus Maas kur-/ trierischer Kellner und Schöffe zu/ Zell, der adlige Gotteshäuser Sprin-/ giersbach und Stuben Sekretär/ und Dorothea Kaiserin Eheleute/ haben der hl. Dreifaltigkeit/ Maria Muttergottes, St. Sebas-/ tian und Rochus und anderen Heili-/ gen zu Ehren, der Kirche zur/ Zierde und verstorbenen Kindern/ zum Troste diesen Altar aufrichten/ lassen Anno 1639“.

1650 fallen die Franzosen in das Amt Zell ein. Es werden 50 Landleute erschlagen. Die Marienburg bleibt trotz der Aufhebung des Klosters eine Wallfahrtsstätte weit über Mosel, Eifel und Hunsrück hinaus. Die Gottesdienste werden einem Rektor anvertraut.

Unter Erzbischof Johann Hugo von Orsbeck wird um 1700 die durch einen Brand sehr beschädigte Kirche wiederhergestellt. Im Querbau werden Wohnräume für den Rektor errichtet, da das hintere Rektoratsgebäude baufällig geworden ist. 1760 wird verzeichnet, dass jährlich etwa 1.100 Messen auf der Marienburg gelesen werden.

Wir schreiben das Jahr 1784: Papst Pius VI. erteilt dem Altar zu Ehren der unbefleckten Jungfrau Mariä in der Kirche der Marienburg ein Ablassprivilegium. Nach einer Beschreibung ist die Kirche auf der Marienburg in gutem Zustand und besitzt drei Altäre: der Hochaltar (aus Lindenholz) im Ostchor zu Ehren der hl. drei Könige, ein Muttergottesaltar zur Südseite (bei dem wohl auch eine erhöhte Kanzel war) und ein steinerner Nebenaltar an der Nordseite, der 1639 vom Zeller Amtsverwalter Maas gestiftet worden war.

Noch in Ruinen 1935

 

1797 nehmen französische Soldaten alles Brauchbare (Metall, Glocken, Orgelpfeifen, Fensterblei) mit und zerstörten die Bedachung. Ein Klausner rettet das verehrte Marienbild nach Kaimt. Eine Deputation mutiger Pündericher Bürger reist zur Erhaltung des Turmes nach Koblenz, um dort beim franz. Präfekten vorstellig zu werden. Ihre Bitte wird gewährt, doch als sie zurückkommen, ist das Zerstörungswerk bereits vollbracht.

1803 wird die Marienburg mit ihrem ganzen Besitz als französisches Nationaleigentum erklärt und versteigert. Wundarzt Jodokus Crossius aus Zell ersteigert die Marienburg samt dabei liegendem Garten für 1.075 Francs (= 286 Thlr.). Sie geht in den folgenden Jahren durch mehrere private Hände. 1841 wird erstmals eine kleine Wirtschaft eröffnet. 1875 wird ein Flügel des Schlosshauses ausgebaut und zur Wirtschaft eingerichtet.

Die Kapelle 1936

 

1950 verkauft die letzte Besitzerin, Frau Gertrud Weinbach, das ganze Anwesen mit der Kirchenruine an das Bistum Trier, um die Marienburg wieder einem sakralen Zweck zuzuführen. Bischof Dr. Matthias Wehr nimmt 1952 die Einweihung der alten Jugendburg vor. Diözesanjugendseelsorger ist damals Pfr. Waßmuth bis 1954 (gest. 1982). Die Kirche wird neu aufgebaut, der Speisesaal angebaut und ein Neubau als zweites Bildungshaus errichtet.

Bei der Einweihung der Jugendbildungsstätte 1952

 

Am 08. September 1957 gibt Bischof Dr. Matthias Wehr dem Gotteshaus die kirchliche Weihe. Unter den vier ehemaligen Glocken der Marienburg, die während der französischen Revolution in den Besitz anderer Pfarrkirchen gelangen, wird jene aus Bad Bertrich zurückgeführt. Sie hängt noch heute im Foyer der Bildungsstätte.Ein Jahr später wird das Berghotel Marienburg eingeweiht. Pächterin wird die ehemalige Leiterin der Jugendbildungsstätte Rosa Roth.

Aufbau 1953

 

1964 wird der Neubau eingeweiht. In den Jahren 1967-68 wird der Speisesaal erweitert und eingeweiht. 1971 erfolgt übrigens erstmalig die Trennung der Ämter des BDKJ-Diözesanjugendpfarrers und des Leiters der Abteilung Kinder- und Jugendpastoral im Bistum Trier.

Im Februar 1972 pachtet Familie Stadtfeld das Bergcafe auf der Marienburg und betreibt eine Wirtschaft für Touristen.

Am 19. Mai 1982 wird unter Anwesenheit von Bischof Hermann Josef Spital und Staatssekretärin Dr. Herr-Beck das 30jährige Bestehen der Jugendbildungsstätte gefeiert. Zehn Jahre später weiht Bischof Hermann Spital die neu renovierte Kirche beim 40jährigen Bestehen der Jugendbildungsstätte ein. Ehrengast ist die Frau des ehemaligen Bundespräsidenten, Frau von Weizäcker.

Nach über 200 Jahren zieht 1996 zum ersten mal wieder ein Priester auf die Marienburg, Regionaljugendpfarrer Joachim Keil. Er wird Rector Ecclesiae und später Geistlicher Beirat des neu aufzubauenden Jugendbildungszentrums unter meiner Leitung und der 20jährigen engagierten Mitarbeit von Evelyne Tschepe.

Am 01. April 1998 wird das gesamte Anwesen der TBT (Trägergesellschaft Bistum Trier) verpachtet, welche die Marienburg in Zukunft bewirtschaftet. Es wird eine grundlegende Renovierung der Bildungsstätte vorgenommen. Nach 25 Jahren als Leiterin der Jugendbildungsstätte verlässt Frau Irmgard Köhl die Marienburg. Den Namen des unseligen TBT-Geschäftsführers, der sich mit Schnittchen und Catering den gesamten oberen Klerus des Bistums damals fügbar macht, erwähne ich bewusst nicht!

Der Pachtvertrag mit Familie Stadtfeld, die noch immer das Bergcafe betreibt, wird auf Druck der TBT im Jahr 2001 gekündigt, weil sie es selbst betreiben will, dann aber bei der Umsetzung nicht nur konzeptionell grandios scheitert. Schließlich stellt die TBT den regelmäßigen Betrieb des Cafes ganz ein.

Am 24. Mai 2001 wird das JuBiZ Marienburg unter Anwesenheit von Weihbischof Dr. Alfred Kleinermeilert feierlich eröffnet. Jugendpfarrer Olaf Harig wird neuer Geistlicher Beirat. Schwerpunkte setze ich in der religiösen, musisch-kulturellen und internationalen Jugendbildung. Wichtige Standbeine werden zudem die Zusammenarbeit mit ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern rund um die Burg, die Kooperation mit den (ökumenischen) Pfarreien im Zeller Hamm und dem Kirchenmusiker Helmut Bremm. Es finden zahlreiche Maßnahmen für Kinder- und Jugendliche nicht nur der nahen Umgebung, sondern bistumsweit statt. Die traditionelle Marienburger Kirmes an Christi Himmelfahrt wird (gegen den Widerstand der TBT) trotzdem wieder eingeführt. Höhepunkt meiner Arbeit ist Rachel – Das Musical, das zum Weltjugendtag 2005 in Trier, Köln, Zell, Eupen, Metz und Luxemburg (den Euregio-Partnerbistümern) aufgeführt wird. Es gilt bis heute als die größte Jugendmusicalproduktion im deutschsprachigen Raum.

Das Bistum schließt im Zuge einer Umstrukturierung in der kirchlichen Kinder- und Jugendarbeit das JuBiZ am 31. März 2006. Der damalige Generalvikar Prälat Werner Rössel sagt bei meiner Verabschiedung wörtlich: „Die Marienburg ist Herz der Jugendarbeit im Bistum Trier, zugleich aber auch Verpflichtung.“

Nachfolgeeinrichtung wird die Fachstelle für Kinder- und Jugendpastoral Marienburg & Wittlich. Neuer Leiter wird zunächst Jugendpfarrer Patrik Altmeyer. Zu seinem Team gehören die Referenten Armin Surkus-Anzenhofer und Lorenz Müller. Heute komplettieren Philipp Kirsch und Birgit Laux die Fachstelle zusammen mit Evelyne Tschepe und Andrea Schnitzius in der Verwaltung. Seit 2010 ist Jan Lehmann Jugendpfarrer der Kirche der Jugend Marienburg und bis Sommer 2020 Dienststellenleiter der FachstellePlus für Kinder- und Jugendpastoral Marienburg & Wittlich. Die Fachstelle entwickelt innovative Projekte in der Jugendpastoral, setzt diese um und wertet sie aus. Sie berät zudem jugendpastorale Planungsprozesse, regt Profildiskussionen an und hilft bei der Erstellung von Konzeptionen und deren Umsetzung.

Am 04. März 2021 gibt Bischof Stephan Ackermann und Generalvikar Ulrich von Plettenberg bekannt, dass die Jugendbildungsstätte Marienburg Ende 2023 geschlossen wird, obwohl die Jugendkirche sich über Jahrzehnte zu einem spirituellen und ökumenischen Begegnungsraum entwickelt, der Generationen von Gläubigen (die wieder einmal nicht mit in die bischöfliche Entscheidung einbezogen wurde) bis heute prägt. Diesen Ort will man nun also einem „Investor“ zum Fraß vorwerfen. Wie geschichtsvergessen kann man denn bitte sein? Ausgerechnet die Schwierigkeiten bei der Barrierefreiheit und dem Brandschutz als Gründe für die Schließung herbeizuziehen ist nicht nur in meinen Augen perfide!

Auch wenn ich nicht mehr im Bistum Trier wohne und arbeite (sondern im Erzbistum Paderborn), kann ich nur meine Freundinnen und Freunde an der Mittelmosel und darüber hinaus dazu aufrufen, sich den damaligen Slogan von Abt Johann Print von Horchheim heute wieder zu eigen zu machen: „Entweder Marienburg, oder nichts!“

(Johannes Maria Schatz)